Samstag, 16:42 Uhr. Der letzte Kaffee des Tages streift mein ohnehin nervöses Zwerchfell, als hinter mir ein verdächtiger Knack die Stille des Nachmittags unterbricht. Sekunden später halte ich die Kopfstütze unseres Rollstuhls in der Hand. Die Intensivlady, stolze Besitzerin von 25 Prozent Kopfkontrolle, lächelt schief. Ich fluche leise.
Ihr Kopf knickt wie ein erschöpfter Sonnenblumenkopf nach hinten. Kein kosmetisches Problem, sondern eine sichere Einladung für die nächste Aspiration in die Luftröhre und Axis-Frakturen. Fachleute schreiben ganze Whitepapers über den Mist – und raten dringend zu stabiler Stütze, weil Muskeln nun mal keine Wunder vollbringen.
Tief durchatmen. Am Samstag finden wir auch keine:n Rehatechniker:in und Panik schadet der Ästhetik, also greife ich zum Plan B: Sofakissen, halbwegs fest. Plan B.1: Ein ziemlich dünnes Stillkissen, geknautscht, um den Hals gelegt. Zusammen ergibt das ein MacGyver-Mix, der aussah wie ein schlecht gelaunter Donut, aber den Kopf der Lady erstaunlich akkurat in der Spur hielt. Kabelbinder? Überbewertet. Zwei alte Mullbinden und etwas Leukoplast aus dem Notfallrucksack reichen, um alles zu fixieren. Wer behauptet, Improvisation stünde nur Jazzmusikern, hat nie Pflegedienst + Elternschaft kombiniert.
Greife zum Stift, schreibe den Notfallplan, wenn es dann wieder knackt, und die nächste Kopfstütze halte ich in der Hand, statt dass sie den Kopf fixiert.

Notfallplan — Kopfstütze abgestürzt
Schritt 1: Ruhe bewahren. Atmen, nicht schreien. Der Kopf fällt sonst schneller als der Blutdruck.
Schritt 2: Rollstuhl sichern. Bremse rein, Kind stabilisieren, Schraubensplitter oder anderes Scharfes entfernen – Splitter im Hinterkopf toppen unsere Problem-Liste nicht.
Schritt 3: Ersatzkonstruktion bauen. Zwei Kissen übereinander, U‑Form nach vorn. Fixiere es mit Mullbinde. Flasterband wie Leukoplast hilft dazu. Testfahrt durch den Flur: Schlaglochsimulator, auch bekannt als Teppichkante und Schwelle Terrassentür, besteht. Kopf bleibt gerade und oben.
Schritt 4: Sanitätshaus anrufen. Hast du die Durchwahl zu eurem Rehatechniker, dann sprich ihm direkt auf den Anrufbeantworter. Gebrauchsanleitungen predigen Original-Ersatzteile statt Baumarkt-Fantasie und bedenke, wenn Pflegekräfte oder Assistenzen mitarbeiten: Mit defekten Hilfsmitteln dürfen diese nicht arbeiten. Also meldet euch sofort beim Versorger. Fotos schicken, Seriennummer oder Typ.
Schritt 5: Upgrade denken. Wenn es eine neue Kopfstütze braucht, warum nicht noch checken, ob es ein Modell wird, das besser den Kopf und Rumpf hält.
Wartung des Rollstuhls — dein Job
Was viele nicht prüfen. Schrauben des Rollstuhls lockern sich häufig heimlich. Auch bei uns vielen schon Schrauben auf dem Boden und wir wussten nicht, wo die Schraube am Rollstuhl hingehört.
Das Werkzeugset mit der Inbusschlüsselparade liegt immer bereit. Ein oder zweimal Monat alle Schrauben checken, kurz drehen, fertig. Kein Guru-Yoga nötig, nur Muskelkraft und Konsequenz. So lassen sich böse Überraschungen unterwegs mit dem Rollstuhl samt Kopfstütze minimieren.
Fazit: Der Tag, an dem die Kopfstütze bricht, fühlt sich wie der Weltuntergang an. In Wirklichkeit zeigt er nur, dass Eltern behinderter Kinder das MacGyver-Gen serienmäßig besitzen und ehrenamtlich im Reparaturcafé arbeiten können. Wir stopfen Lücken mit Haushaltswaren, wie früher die DDR-ler ihr Trabant am Laufen hielten, ohne Ersatzteile. Lust auf Heldenorden? Nein. Eine funktionierende Kopfstütze reicht.